Stefan Bogenrieder im Gespräch mit Martin Schanze (Mensch & Wandel)

Stefan Bogenrieder ist Geschäftsführer des Campus Schwarzwald, der als Zentrum für Lehre, Forschung und Technologietransfer des Maschinenbaus und der produzierenden Industrie gegründet wurde. Die Themengebiete des Campus sind Digitalisierung, Führung und Nachhaltigkeit.

Er entstand durch die Initiative der regionalen Unternehmen, dem Landkreis und der Stadt Freudenstadt sowie der Industrie- und Handelskammer Nordschwarzwald und nimmt ab Sommer 2019 seine Arbeit auf.

M&W: Redet Ihr noch oder digitalisiert Ihr schon?
Deutschland befindet sich mitten im Prozess der Digitalisierung, und während die einen schon sehr weit in der Digitalisierung ihrer Produkte und Prozesse sind, stehen gerade viele Mittelständler noch ganz am Anfang. Digitale Technologien fügen sich noch längst nicht nahtlos in unseren Alltag ein und werden doch von den einen als Heilsbringer beschworen, die Leben und Arbeit erleichtert. Andere hingegen machen sich Sorgen, wie sich die Digitalisierung auf den Arbeitsmarkt und unsere Persönlichkeitsrechte auswirkt.
Wie schätzt Du den Stand der Digitalisierung in der Region Nordschwarzwald ein und wo liegen deiner Meinung nach die wichtigsten Handlungsfelder der dort ansässigen mittelständischen Unternehmen?

Stefan Bogenrieder: Wir vom CS (Campus Schwarzwald; die Red.) sind mit den produzierenden Unternehmen und den Unternehmen im Maschinen- und Anlagenbau unterwegs. Diese Firmen sind bereits sehr weit in der Digitalisierung. Die Handlungsfelder dabei sind die Produktion, also, wie bekomme ich meine Produktion effizienter, meine Produkte digitalisiert und als Mittelding, wie bekomme ich meine Entwicklung integriert digitalisiert. Ein weiteres wichtiges Thema für uns und für die Firmen ist, wie man die bestehenden Mitarbeiter in dieser digitalen Zeitenwende mitnimmt.

M&W: Wie empfindest Du den Austausch der Unternehmen untereinander in der Region Freudenstadt, die ja doch auch unterschiedlich weit in ihren Entwicklungen sind?

Stefan Bogenrieder: Unternehmen im Campus sind sehr rege im Austausch. Campus fungiert als Austauschplattform in Arbeitskreisen zu unterschiedlichen Themen. Dies verstärkt den bereits vorhandenen Austausch. Insbesondere wie sie vernetzte Innovationen zustande bekommen. Darin sehen wir auch unsere Aufgabe. Wir haben ja mehrere Schwerpunkte. Bei dem Thema der universitären Lehre mit Uni Stuttgart tauschen wir uns mit den Firmen aus, um auch ihre Themen in die Inhalte der Lehre zu bekommen.
Im zweiten Schwerpunkt universitäre Forschung haben wir bereits einige Forschungs- und Förderprojekte gestartet, die wir mit Firmennetzwerken machen, so dass auch hier der Austausch in Bezug auf Innovation stattfindet. Und sobald wir aus dieser Baustelle zum Herbst diesen Jahres einen lebenden Campus machen, werden wir daraus auch innovative Ideen, Konzepte und hoffentlich auf Produkte entwickeln.

M&W: Fachkräftemangel als Beziehungsstifter?
Meinungsforschungsinstitute sehen den wachsenden Fachkräftemangel speziell in Landkreisen als Grund dafür, dass ein Unternehmen weniger Bewerbungen erhält. Der Fachkräftemangel kann jedoch auch noch andere vielschichtige Gründe haben, wie z.B. unattraktive Rahmenbedingungen, keine Karrierepfade, veralteter Strukturen, wenig Benefits und zunehmend eine mangelhafte Unternehmenskultur.
Wie positioniert sich der Campus Schwarzwald als Problemlöser des fachlichen bedingten Fachkräftemangels und werden auch strukturelle und kulturelle Handlungsfelder bearbeitet?

Stefan Bogenrieder: Wir sind ja von den Firmen hier im Schwarzwald ins Leben gerufen worden, insbesondere aus zwei Gründen. Zum einen der Fachkräftemangel mit der Frage, wie bekommen wir universitär ausgebildete Menschen hier in die Region. Das machen wir indem wir das Thema Lehre anbieten und Laborpraktika in den beteiligten Unternehmen ermöglichen. Wir können dadurch auch die Unternehmen an der Universität vorstellen und präsenter werden. Die erreichen wir inhaltlich über unsere Themen Digitalisierung, Führung. Gerade im Thema Führung lernen wir von den Studierenden, wie zukünftige Arbeitgeber aussehen sollen um daraus abzuleiten, wie der Wandel in den Unternehmen dazu aussehen muss. Damit lernen beide Seiten am Campus, die Studierenden und die Unternehmen, für die das eine Chance ist, nicht erst aus Fehlern lernen zu müssen.
Zum anderen wollen wir den Firmen den Zugang zu universitärer Forschung vereinfachen. Dies machen wir durch ständiges „scouten“ von Forschungsprogrammen. Über eine mit den Firmen erstellte Forschungslandkarte sprechen wir dann die unterschiedlichen Firmen gezielt auf Themen und Förderprogramme an.

M&W: Straßenbauer oder Pionier?
Wer als Arbeitgeber attraktiver sein will, muss neue Wege gehen. Jede Region, jede Branche, jedes Unternehmen und jede Fachkraft sind anders. Ein Stellenwert zur Attraktivität nehmen dabei auch die (Weiter-) Bildungsmöglichkeiten durch den Arbeitgeber ein.
Mit welchen Ideen und Maßnahmen unterstützt der Campus Schwarzwald gezielt Unternehmen in der Region? Welche Rolle spielt dabei die Vermittlung von Softskills und Werten?

Stefan Bogenrieder: Wir sind zum einen Impulsgeber, indem wir mit dem Fraunhofer-Institut und der Universität Stuttgart zusammenarbeiten. Ein aktuelles Beispiel dafür ist die 5G-Technologie. Für die wir als Campus eines von vier Technologiezentren werden und damit die Plattform bilden, hier Innovation zu betreiben. Ein weiteres Beispiel ist das Thema Ultraeffizienzfabrik durch Digitalisierung. Hier untersuchen wir weitere nachhaltige und effiziente Maßnahmen, um Produktionen im Hinblick auf Ressourcenverbrauch und Emissionen noch besser zu machen.

Der Campus Schwarzwald in Freudenstadt

Der Campus Schwarzwald in Freudenstadt

M&W: Wie tickt der Campus?
Der Campus Schwarzwald muss, um überlebensfähig zu sein, kontinuierlich den schwierigen Spagat zwischen Wirtschaftlichkeit, wissenschaftlichem Renommee und Praxisbezug hinbekommen. Das heißt qualitativ hochwertige Lehre steht auch im Kontext von Anwendungs- und Praxisrelevanz, bewegt sich im Rahmen der eigenen finanziellen und fachlichen Möglichkeiten und muss sich zum Angebot anderer privater und staatlicher Hochschulen abgrenzen. Man kann also sagen, dass auch für den Campus, wie für jedes Wirtschaftsunternehmen, bereits zum Spatenstich und dann in jeder kommenden Lebensphase die Weiterentwicklung des Unternehmens begonnen hat.
Wie gehst Du als Geschäftsführer des Campus Schwarzwald das Thema Unternehmensentwicklung an?

Stefan Bogenrieder: Wir sind eine gemeinnützige GmbH. Ziel der 16 Unternehmen, die den Campus finanzieren ist es, in den nächsten Jahren sowohl in den Themen, als auch in der Anzahl der partizipierenden Unternehmen zu wachsen. Hier haben wir eine Zielvorstellung von ca. 30 aktiven Firmen am Campus. Und je mehr Unternehmen wir haben, deshalb sind wir auch an weiteren Partnern interessiert, desto mehr können wir auch inhaltlich den Unternehmen zurückgeben.
Zum andern sind wir auch dabei, Drittmittel, sprich Fördermittel, zu organisierten. Dabei sind wir mit mittlerweile drei Projekten auch sehr erfolgreich, mit denen wir, sobald das Labor fertig ist, an den Start gehen.
Und als Drittes sind wir aktuell mit dem Land BW im Gespräch, damit wir als Mittelstandsinitiative die den ländlichen Raum befeuern sollen, auch unterstützt werden. Das werden zukünftig auch die drei Bereich sein, um weiterhin innovative Themen zu bespielen.

M&W:  Als innovatives Thema hattest Du den 5G-Standard genannt. Steht dieses beispielhaft für die Themen der Unternehmen am Campus?

Stefan Bogenrieder: Entscheiden sind für uns die Themen, die die Unternehmen hier in der Region vorantreibt: Wie digitalisiere ich die Produktion, wie mache ich meine Produkte smarter? Da spielt das Thema 5G eine Rolle, aber auch der digitale Zwilling und alles was sich daraus ableitet, an Geschäftsmodellen, an Methoden, an effizienzsteigernden Maßnahmen. Vom digitalen Zwilling leiten sich Themen ab wie IoT, oder wie ich die Sensorik und Aktorik in eine Cloudlösung hineinbekomme. Für Anlagenbauer ist spezeill die virtuelle Inbetriebnahmen wichtig. Also wie kann ich schon frühzeitig mit dem virtuellen Produkt Simulationen machen, Software entwickeln, um nachher bei Kunden die fertige Maschine schnell in Betrieb zu nehmen.

M&W: Gefangen in der Matrix?
Als Geschäftsführer des Campus bewegst Du dich im Spannungsfeld teils gegenläufiger Interessen unterschiedlicher Stakeholder (Unternehmen, IHK, Landkreis, Hochschulvorstände, Kapitalgeber, …). Zusätzlich können die Ziele und Interessen des Campus durchaus mit denen der Unternehmerpersönlichkeiten kollidieren, die es gewohnt sind, ihre Vorstellungen durchzusetzen.
Wie geht Ihr damit um?

Stefan Bogenrieder: Das ist ein ganz wichtiges Thema, zu dem wir uns regelmäßig in verschiedenen Kreisen austauschen. Das heißt, inhaltlich haben wir uns schon vor drei Jahren auf drei Themen geeinigt: Digitalisierung, Führung und Nachhaltigkeit. Über einzelne Arbeitskreise haben wir uns den Themen angenähert, um zu klären, wer was jedes Unternehmen unter diesen Themen versteht. Das hat sich letztendlich in den Lehrveranstaltungen verankert und in den Förderprojekten, die wir hier angehen. Dadurch konnten wir den kleinsten gemeinsamen Nenner finden. Erstaunlicherweise sind es doch für viele die gleichen Themenstellungen. Und hierbei sind die Firmen auch in der Lage voneinander zu lernen, was für sie mehr Sinn macht, oder weniger. Auch dafür wollen wir eine Plattform sein.

M&W: Verzahnt oder Sand im Getriebe?
Aus- und Weiterbildung in Unternehmen sind ein wichtiges Instrument zur Sicherung des Fachkräftebedarfs der Wirtschaft. Die unternehmensinterne Bildungszielplanung orientiert sich dabei meistens an deren Qualifikationsinteressen, ohne die gesamtwirtschaftlichen Erfordernisse und die individuellen Bedürfnisse der Beschäftigten nach allgemein anwendbaren und auch auf andere Unternehmen übertragbaren Fähigkeiten ausreichend zu berücksichtigen.
Wie kann sich aus Deiner Sicht das Weiterbildungsangebot des Campus von Inhouse-Angeboten der Unternehmen oder ihren unternehmenseigenen Akademien ergänzen?

Stefan Bogenrieder: Wir haben vor, neben der universitären Lehre auch weiter berufsbegleitenden Programme anzubieten. Wir wollen den Mitarbeitern hier in der Region auch die Möglichkeit geben, über diese Maßnahmen einen berufsbegleitenden Masterabschluss erreichen zu können. Zudem arbeiten wir sehr eng mit den Unternehmensakademien zusammen, um vorhandene Lücken füllen zu können.

M&W: Wie geht Mittelstand mit Start-ups?
Der Campus bietet auch Start-ups ein Dach über dem Kopf und lockt mit attraktiven Rahmenbedingungen in die Region. Erfahrungen mit Start-ups zeigen jedoch, dass diese nach der ersten Wachstumsphase neben frischem Kapital meist auch Management-Know-how, interne Strukturen und Marktzugang suchen, den ihnen etablierte Unternehmen bieten können. Der Mittelstand andererseits kann vom frischen Wind und den neuen Ideen der Start-ups profitieren.
Welche Ziel verfolgt speziell der Campus in Verbindung mit den Start-ups und wir bekommt Ihr die Synergien zwischen beiden Parteien hin?

Stefan Bogenrieder: Hier sind wir auch mit externen Partnern, wie der Firma Pioniergeist aus Stuttgart unterwegs, um strukturiert Gründungswillige und etablierte Firmen zusammenzubringen. Denn wir sind der Überzeugung, dass die Erfolgswahrscheinlichkeit eines Startups sehr stark zunimmt, wenn schon frühzeitig bestehende Unternehmen involviert sind. Hier bieten wir zukünftig auch eine strukturierte Vorgehensweise mit Pioniergeist an, um Innovationen ins Leben zu bringen und den Gründungswilligen hier am Campus ein Zuhause zu bieten.

M&W: Stefan, wir wünschen Dir und Deinen Partnern viel Erfolg bei Eurer weiteren Entwicklung und freuen uns auf die Einweihung diesen Sommer.

Das Interview hat Martin Schanze für Mensch & Wandel geführt. Die Mensch & Wandel GbR ist Qualifizierungs- und Beratungspartner des Campus Schwarzwald und unterstützt und begleitet in dieser Rolle den Campus und seine Mitgliedsunternehmen.