Dies ist der dritte von insgesamt fünf Teilen, der an den kommenden Tagen in kurzweiliger, zugleich treffender Lektüre die fünf Prinzipien des unternehmerischen Denk- und Handlungsmusters Effectuation erklärt.

Teil 3 Prinzip des leistbaren Verlusts:

Entscheidungen im Unternehmenskontext sind häufig geprägt durch die Kernfrage „Was wird uns das bringen?“. Die Projekte, die den höchsten Erwartungswert versprechen, werden letztlich realisiert. Daher sind hier Trendanalysen, Marktforschungsdaten und Prognosedaten entscheidende Instrumente. Doch wo soll man ansetzen, wenn es um etwas radikal Neues geht? Welche Ergebnisse hätte eine frühzeitige Barwertberechnung für gelbe selbsthaftende Klebenotizzettel ergeben? Erfolgreiche Unternehmer wissen, dass sich der „Return on Investment“ solch hochinnovativer Produkte letztendlich nicht vorhersagen lässt. Sinnvoller ist daher eine Orientierung „nach unten“ – der leistbaren Verlust nach dem Motto „Was können wir im schlimmsten Fall verlieren?“. Insofern geht es um den Einsatz von Mitteln und Ressourcen, deren Verlust für das Unternehmen noch tragbar wäre. Tafelsilber wird auch nur dann eingesetzt, wenn Alternativen vorhanden und greifbar sind; das silberne Schloss vor dem Tigerkäfig sollte aber durchaus in den meisten Situationen hängen bleiben. So kann man durchaus schneller segeln, wenn Verzichtbares fehlt – wichtig ist aber die Erhaltung von Überlebenswichtigem.

Ein Fallbeispiel aus der unternehmerischen Praxis

Investitionen in Hightech-Start-ups sind sehr risikoreich, die Erfolgsaussichten im Vorfeld kaum ermittelbar und tatsächlich schaffen nur wenige Start-ups den erfolgreichen Schritt in den Markt. In diesem Umfeld investiert Zühlke Ventures gezielt nach dem Prinzip des leistbaren Verlusts. So stellt die Zühlke Gruppe in den ersten Jahren das Kapital für die Investments nach einem klar definierten Schema zur Verfügung: Die Investitionssumme für das übernächste Jahr ist vom Free Cash Flow abhängig – also von tatsächlich vorhandenem Barvermögen. Somit wird die untere Grenze des maximal zulässigen Verlusts definiert. Die Zielstellung für Zühlke Ventures, in den Folgejahren selbstfinanzierend zu sein, unterstreicht hierbei jedoch den Anspruch mit diesen Geldern bewusst umzugehen und einen Verlust nur im schlechtmöglichsten Fall zu realisieren. Diese Grundeinstellung schlägt sich selbst im operativen Tagesgeschäft von Zühlke Ventures nieder: Welcher Bewertungsaufwand für das vorstellige Start-up ist tragbar? Welche Investitionssumme kann Zühlke Ventures aufbringen? Was wäre Zühlke Venture im Extremfall bereit zu verlieren? All diese Fragen werden durch das Prinzip des leistbaren Verlusts beantwortet – nicht zuletzt, weil eine Orientierung am erwarteten oder erhofften Gewinn in diesem hochdynamischen und unsicheren Umfeld nicht zielführend sein kann. In der Konsequenz stehen dieser Unsicherheit vielversprechende Chancen gegenüber. Ist ein innovatives Hightech-Unternehmen erst einmal erfolgreich, kann der Return on Investment für Zühlke Ventures beachtliche Ausmaße annehmen.

Quellenangaben

Baierl, Ronny: Das unternehmerische Unternehmen.
In: SWISS ENGINEERING, Schweizerische Technische Zeitschrift (STZ), Nr. 9, S. 28-29.

Baierl, Ronny & Grichnik, Dietmar: Effectuation in etablierten Unternehmen – Die Handlungsprinzipien in der unternehmerischen Praxis.
In: Das unternehmerische Unternehmen. ISBN 978-3-658-02058-3. Berlin, 2013, S. 67-81.

Das Herausgeberband mit der kompletten Fallstudie kann beispielsweise hier beschafft werden: Das unternehmerische Unternehmen: Revitalisieren und Gestalten der Zukunft mit Effectuation – Navigieren und Kurshalten in stürmischen Zeiten.