Dies ist der vierte von insgesamt fünf Teilen, der an den kommenden Tagen in kurzweiliger, zugleich treffender Lektüre die fünf Prinzipien des unternehmerischen Denk- und Handlungsmusters Effectuation erklärt.

Teil 4: Prinzip der Umstände und Zufälle

Manager versuchen klassischerweise mit einem möglichst ausgefeilten Risikomanagement Unvorhersehbares auszuschliessen und das Innovationsprojekt so umfangreich wie irgend möglich gegen Überraschungen abzusichern. Erfahrene Unternehmer hingegen nutzen den Sachverhalt, dass Zufälliges und Unerwartetes häufig wahrhaft Innovatives im Gepäck trägt. Getreu dem Motto „Wenn das Leben einem saure Zitronen gibt, dann kann man immer noch Limonade daraus machen!“ geben Unternehmer dem Ungeplanten eine Chance. Wichtig ist dabei, dass „Zufall“ hier vollkommen neutral zu betrachten ist. Erst durch den jeweiligen Umgang mit ihm wird er zu einem „unglücklichen“ oder eben zu einem „glücklichen“ Zufall. Wenn sich „stürmische Zeiten“ also schon nicht verhindern lassen, kann man sie immer noch positiv nutzen. Genauso wenig, wie Schlechtwetterphasen auf hoher See beeinflussbar sind, lassen sich die Konsequenzen hochradikaler Produkte und Marktentwicklungen detailliert vorhersagen. Ebenso wenig können zunächst ungünstig erscheinende Entwicklungen „weggeplant“ werden – sie lassen sich aber sehr gut ins Positive umkehren. Schließlich kann der anfangs so bedrohlich wirkende Hochseesturm unsere unternehmerische Fregatte genauso gut zu neuen – möglicherweise noch viel mehr versprechenden – Welten führen.

Ein Fallbeispiel aus der unternehmerischen Praxis

3M zeigt eindrücklich, wie unternehmerisch denkende und handelnde Mitarbeitende den Zufall aktiv einbinden und hieraus eine positive „Zufallsrendite“ erzeugen. So gelingt es, das wahre Unternehmerische in einen Innovationsprozess, der allein aufgrund des Prozesscharakters zielorientiert sein muss, bewusst einzubauen. Durch die vielfältigen Technologien und den Zugang zu diesen Informationen über Technologieplattformen, werden das konzernweite Know-how und dessen Diversität allen Mitarbeitenden zugänglich gemacht. So können Zufälle positiv genutzt werden. Wohl kaum eine Innovationsgeschichte wurde so oft erzählt wie die von den Post-it-Haftnotizen, deren Kernaussagen das Innovationsgeschehen von 3M noch heute prägt: Eine Kultur des positiven Umgangs mit Fehlentwicklungen gepaart mit effektiven Informationsflüssen sind der Quell dieses weitverbreiteten und äußerst erfolgreichen Büro- und Freizeitprodukts. Ebenso zeigt sich beim Tauben-Stop die einzigartige Innovationskultur von 3M. Letztlich ist 3M eine gescheiterte Idee lieber als eine nicht gedachte. Die Troika „Gelegenheit – Offenheit – Flexibilität“ bildet hierbei den Rahmen für den erfolgreichen Umgang mit Zufällen, Umständen und Überraschungen, die allesamt in ungewissen Innovationssituationen nun einmal unvermeidbar sind.

Quellenangaben

Baierl, Ronny: Das unternehmerische Unternehmen.
In: SWISS ENGINEERING, Schweizerische Technische Zeitschrift (STZ), Nr. 9, S. 28-29.

Baierl, Ronny & Grichnik, Dietmar: Effectuation in etablierten Unternehmen – Die Handlungsprinzipien in der unternehmerischen Praxis.
In: Das unternehmerische Unternehmen. ISBN 978-3-658-02058-3. Berlin, 2013, S. 67-81.

Das Herausgeberband mit der kompletten Fallstudie kann beispielsweise hier beschafft werden: Das unternehmerische Unternehmen: Revitalisieren und Gestalten der Zukunft mit Effectuation – Navigieren und Kurshalten in stürmischen Zeiten.