Dies ist der erste von insgesamt fünf Teilen, der an den kommenden Tagen in kurzweiliger, zugleich treffender Lektüre die fünf Prinzipien des unternehmerischen Denk- und Handlungsmusters Effectuation erklärt.
Teil 1 Prinzip der Zukunftsorientierung:
Erfahrene Unternehmer verzichten nachweislich auf Vorhersagen der Zukunft und setzten stattdessen auf deren aktive Gestaltung. Sie fokussieren lieber das greifbare Hier-und-Jetzt als mythische Ziele in ferner Zukunft. Erfahrene Unternehmer wissen sehr genau: „Wer die Zukunft gestaltet, braucht sie nicht vorherzusagen!“ Insofern handelt es sich bei diesem Prinzip um ein übergeordnetes Verständnis. Während Ozeandampfer den Zielhafen in aller Regel sehr konkret vor Augen haben dürften, stechen „unternehmerische Matrosen“ gestalterisch und offen für neue Welten in See. Möglicherweise geht es hinter dem Horizont eben doch weiter, zumal die Gefahr von der Erdscheibe zu fallen aus aktueller Sicht eher gering sein dürfte. Es geht nicht um des schnelle (oder in einer beliebig anderen Dimension gemessene effiziente) Erreichen eines vordefinierten Zielhafens, sondern vielmehr um das „Leinen los!“ im unternehmerischen Sinne – wohlwissend, dass eine strategische Stoßrichtung wahrliches Neuartiges zu entdecken die Mission leitet.
Ein Fallbeispiel aus der unternehmerischen Praxis
Das Fallbeispiel von IBM Research zeigt deutlich die Grundannahme des Effectuation-Ansatzes: Trends kreieren und aktiv mitgestalten ist tausendmal besser als bestehenden Marktentwicklungen hinterherzulaufen. Nur so lässt sich eine Spitzenposition auch langfristig sichern. Dies gilt umso mehr, je dynamischer das Marktumfeld ist. Am Beispiel der IBM wird deutlich, welch große Unsicherheit über die weitere Entwicklung in der IT-Branche herrscht. Das nahende Ende des Mooreschen Gesetzes, die weltweite Energiekrise in Rechenzentren sowie die explosionsartig steigenden Datenmengen sind drei hervorragende Beispiele für diese inhärente Marktunsicherheit. Umso mehr verlangt dieses Marktumfeld einen gestalterischen Ansatz, wie er beim Global Technology Outlook oder den Workshops am Industry Solutions Lab zum Ausdruck kommt. Hier wird Zukunft – gemeinsam mit anderen – gedacht und gestaltet. Auch bei den „Grand Challenges“, die zukünftige Trends in der IT erschließen und somit neue Märkte und Anwendungsmöglichkeiten kreieren, wird diese Grundeinstellung zur Zukunft deutlich. So zeigt das Beispiel der bionisch inspirierten Kühlung sehr anschaulich, wie ein Markt geschaffen werden kann – ein Markt dessen Existenz noch vor wenigen Jahren von vielen Experten negiert worden wäre. Zusammengefasst geht es somit IBM Research nicht um klassisches Trend-Scouting, sondern um das aktive Gestalten und Kreieren von eigenen Trends, die markt- und weltweite Ausstrahlungseffekte haben.
Quellenangaben
Baierl, Ronny: Das unternehmerische Unternehmen.
IN: In: SWISS ENGINEERING, Schweizerische Technische Zeitschrift (STZ), Nr. 9, S. 28-29.
Baierl, Ronny & Grichnik, Dietmar: Effectuation in etablierten Unternehmen – Die Handlungsprinzipien in der unternehmerischen Praxis.
In: Das unternehmerische Unternehmen. ISBN 978-3-658-02058-3. Berlin, 2013, S. 67-81.
Das Herausgeberband mit der kompletten Fallstudie kann beispielsweise hier beschafft werden: Das unternehmerische Unternehmen: Revitalisieren und Gestalten der Zukunft mit Effectuation – Navigieren und Kurshalten in stürmischen Zeiten.