Wenn sich Mitarbeiter in ein neues Thema einarbeiten sollen, gelten Seminare noch immer als erste Wahl. Dabei sind Einzeltrainings, auch wirtschaftlich, oftmals die bessere Lösung.

Stellen Sie sich vor, eine langjährige Mitarbeiterin ohne Projekterfahrung soll für ihre neue Aufgabe als Leiterin Multiprojektmanagement (MPM) qualifiziert werden. Dabei stehen Führungskraft und Personalentwickler vor der Frage, welches Wissen dafür benötigt wird, und wie es am besten (und günstigsten) zu vermitteln ist. Ein 7-tägiges Projektleiter-Seminar, das der Verband anbietet, erscheint im ersten Moment als die beste Lösung, wenngleich die spezifischen MPM-Themen darin nicht in der benötigten Tiefe behandelt werden.

Erst Erfahrung macht Wissen
In einem solchen Fall ist eine Kombination aus Einzeltraining, Selbstlernen und Coaching jedoch die bessere Alternative. Auf Basis des individuellen Lernbedarfs wird für die Mitarbeiterin dabei ein persönlicher Lernplan entwickelt und eine Literaturliste mit den relevanten Lerninhalten erstellt. Neben Büchern gehörten dazu in erster Linie auch Online-Verweise. Die Begleitung eines konkreten Projektes in der Rolle als Multiprojektmanagerin sorgt dabei für erste praktische Erfahrung im neuen Job. In den Coachingsitzungen wird dann das Gelesene diskutiert, vertieft und auf Relevanz für die eigene Organisation überprüft. Denn vieles, das in Lehrbüchern sinnvoll klingt, ist in der eigenen Organisation aus kulturellen, historischen oder technischen Gründen nur schwer umsetzbar.

Erst Wirkung wird wirtschaftlich
Im Vergleich zu einem solchen Individualtraining sind Standardseminare nur Pauschalreisen mit Alleinunterhalter. Seminare haben aus Sicht des Autors höchsten noch dort ihre Berechtigung, wo einer größeren Zahl von Mitarbeitern Basiswissen vermittelt werden soll, und der Praxistransfer nicht relevant ist. Denn wäre es wirklich wichtig, das Gelernte in der Praxis umzusetzen, würde sich die Evaluation solcher Seminare nicht nur auf das Feedback der Teilnehmer und einer daraus für das Management entwickelten Cost-Smiley-Ratio reduzieren.

Wenn sich Weiterbildung und Qualifizierung wirklich am Bedarf des Auftraggebers orientieren soll, muss Praxistransfer nicht nur Mittel, sondern Zweck jeder Maßnahme sein. Und der Trainingserfolg ist dann auch messbar: Durch einem ROI in Form konkreter und spürbarer Veränderungen bei der täglichen Arbeit.

Nachtrag
Bei der Eingangs geschilderten Geschichte handelte es sich um einen konkreten Qualifizierungsauftrag, der bis etwas Mitte 2016 von uns begleitet wurde. Die Erfahrungsberichte der Mitarbeiterin an ihren Chef haben inzwischen dazu geführt, das 2003 eingeführte Projektmanagement-Konzept kritisch auf seine Effektivität zu prüfen und dem Vorstand entsprechende Verbesserungsvorschläge zu unterbreiten …