Die Resonanz in der XING-Gruppe Personalmanagement & Führung hat mich zu einer Fortsetzung meines letzten Blogbeitrags motiviert:

Wenn Teamentwicklungen nicht die gewünschten Ergebnisse bringen, kann dies natürlich auch mit der Qualifikation des Beraters zu tun haben. Kann! Doch ein studierter Psychologe ist genauso wenig ein besserer Teamentwickler, wie ein Wirtschaftswissenschaftler ein besserer Unternehmer.

Es ist arrogant und gefährlich zu glauben, dass sich alle Probleme von Teams, Coachees und Organisationen psychologisch lösen lassen. Denn viele Probleme von Mitarbeitern und Führungskräften sind in den Prozessen, Strukturen und Machtkonstellationen der eigenen Organisation begründet und rein psychologisch nicht lösbar. Hier helfen „Breitband-Tiefen-Wissen der Psychologie“ (Zitat) und Methodik (Testtheorie, Diagnostik, Evaluierungsmethoden, etc.) (Zitat) auch nicht weiter. Die Unzufriedenheit von Kunden mit Unternehmensberatungen damit zu begründen, dass in ihren Reihen zu wenige (wie viele sind den genug?) Psychologen vertreten sind, zeugt von elitärem Denken und Überheblichkeit.

Bei der ganzen Diskussion um Qualifikationen, Kompetenzen und Methoden wird eines gerne vergessen: Die richtige Haltung.

Letztlich entscheidet einzig unsere Haltung darüber, wie wir bei einer Teamentwicklung vorgehen und welche Methoden wir verwenden. Dabei können wir in Hellinger-Art Leute aufstellen oder in NLP-Manier unsere Allmachtsfantasien ausleben. Wir können uns aber auch Menschen und Organisation respektvoll nähern, bisherige Problemlösungserfahrungen würdigen und in Bescheidenheit feststellen, dass wir nicht für alle Probleme eine Lösung haben. (Übrigens, liebe Psychologiegläubige, denke ich, dass der schlechte Ruf mancher Beratungsfirma nicht auf einen Mangel an Psychologen zurückzuführen ist, sondern vielmehr auf einen Mangel an Respekt und Demut.)

Eine gute Haltung bedarf jedoch eines stabilen Gerüsts. Die menschliche Wirbelsäule ist das beste Beispiel dafür. Grundsätzlich darauf ausgerichtet, uns aufrecht durch die Welt schreiten zu lassen, knickt sie doch oftmals unter den physischen und psychischen Belastungen des Lebens ein. Und dieses Einknicken hat nicht nur Einfluss auf unsere körperliche Haltung, sondern beeinflusst auch ganz wesentlich auf unsere psychische Verfassung. Die Untersuchungen von Maja Storch unter dem Begriff Embodiment sind dazu sehr aufschlussreich.

Wie lässt sich dies nun auf eine Organisation übertragen? Ich behaupte, dass die Haltung und das Verhalten der Mitglieder einer Organisation ganz wesentlich durch bestehende Strukturen und Prozesse geprägt werden. Dazu ein Beispiel: Ich arbeitet einige Zeit als einer von mehreren Key Account Managern in einem Beratungsunternehmen. Jeder war für die Umsätze seiner Kundengruppe als Einzelkämpfer verantwortlich, und das persönliche Einkommen war im Wesentlichen abhängig vom Erfolg und Misserfolg dieser Tätigkeit. Eine Struktur, die sich in vielen Vertriebsbereichen wiederfindet. Um jedoch in dieser Silostruktur die Teamarbeit zu fördern, wurden von der Geschäftsleitung jährlich ein- bis zweitägige Teamentwicklungsmaßnahmen organisiert. Mit renommierten externen Psychologen in einem schönen Hotel. Und, was glauben Sie war der Effekt? Bei mir 2 Kilo mehr auf der Waage.

Fazit:
Strukturen sind das Rückgrat der Organisation und die Prozesse ihr Puls. Um Haltung und Verhalten in einer Organisation langfristig zu ändern, müssen somit auch gewachsene Strukturen und Prozesse dahingehend überprüft werden, ob sie die wünschenswerte zukünftige Kultur fördern oder behindern. Doch während eine Teamentwicklung oder ein Coachings mal schnell gebucht und aus dem Abteilungsbudget bezahlt ist, handelt es sich hierbei um ein Organisationsentwicklungsprojekt. Dafür braucht es Akzeptanz und die entsprechende Haltung bei den Entscheidern. Ein Teufelskreis also, der sich nur mit Geduld und Überzeugungsarbeit durchbrechen lässt. Und diese Überzeugungsarbeit lässt sich bei jeder Auftragsklärung zu jeder Teamentwicklung und jedem Coaching aufs Neue leisten.