„Und, Herr Doktor, was können Sie tun?“ fragt der Patient. „Na ja, eigentlich sollten Sie bei Ihrem Bluthochdruck Fleisch- und Alkoholkonsum einschränken und auf Ihr Gewicht achten.“ „Schon klar Herr Doktor, und was verschreiben Sie mir jetzt?“

An diesen Dialog muss ich oft denken, wenn es um das „Verschreiben“ von Teamentwicklungen geht. Da sollen mit Hilfe eines externen Berater schnell die „Krankheiten“ kuriert werden, die sich in einer Organisation über die Jahre entwickelt haben. Von Ursachenbekämpfung und ganzheitlichem Ansatz ist dabei keine Rede.

Wie ist unter diesen Bedingungen überhaupt Veränderung möglich?

Unter anderem sollten im Rahmen der Auftragsklärung folgende Fragen beantwortet werden:

  • Wie ist das Team in der Organisation eingebettet (Beziehungen, Schnittstellen, Hierarchie?
  • Welchen Gestaltungsspielraum haben Führungskraft und Team im Rahmen der Maßnahme?
  • Was wurde bereits unternommen? Was war erfolgreich, was weniger?

Der Fall eines Abteilungsleiters, der mit mehreren Mitarbeitern massive Probleme hatte, ist ein gutes Beispiel für eine solche Situation. Das Ziel der Personalentwicklung war, mittels einer einmaligen und eintägigen Teamentwicklungsmaßnahme die Konflikte schnell zu lösen um die Leistungsfähigkeit der Abteilung wieder herzustellen. Der Abteilungsleiter wiederum hatte weder die Erwartung noch die Hoffnung, dass sich so an der Problem-Situation etwas ändern ließe. Er war desillusioniert, da laut seinen Aussagen bereits mehrere Teamentwicklungsmaßnahmen zu keiner wahrnehmbaren Veränderung im Team geführt hätten. Kern des Problems sind aus seiner Sicht 4 von 17 Mitarbeitern, die durch schlechte Arbeitsleistung und unkollegiales Verhalten die Arbeitsatmosphäre und Arbeitsergebnisse der Abteilung negativ beeinflussen. Der Geschäftsleitung ist die Situation seit langem bekannt, personelle und organisatorische Konsequenzen wurden bislang jedoch nicht gezogen. Ihre Unterstützung des Abteilungsleiters beschränkt sich auf Durchhalteparolen und besagte Teamentwicklungsmaßnahmen.

Um es kurz zu machen: Unter solchen Bedingungen ist aus unserer Sicht eine weitere einzelne Teamentwicklungsmaßnahme vertane Zeit und rausgeworfenes Geld.

Zur Lösungsfindung ist einem solchen Fall eine historische und systemische Perspektive hilfreich. Das unkollegiale Verhalten im Team und die mangelnde Arbeitsleistung sind „historisch gewachsen“ und akzeptiert, da sie in der Vergangenheit nie zu ernsthaften Konsequenzen geführt haben. Personalgespräche des Abteilungsleiters führten bei den besagten Mitarbeitern bislang zu keinen Veränderungen und angedrohte Konsequenzen nur zu Beschwerden des Betriebsrats, denen die Geschäftsleitung nichts entgegensetzte. Hier wird nun die systemische Perspektive deutlich: Die konfliktvermeidende Haltung der Geschäftsleitung wird zur Vorbildhaltung bei Führungskräften und Mitarbeitern im Unternehmen (der Blick in andere Abteilungen und Teams zeigte ähnliche Muster) und bestätigt und ermutigt damit sogar die Mitarbeiter in ihrem egoistischen und sozial wie wirtschaftlich schädlichen Verhalten. Auch der Austausch des Abteilungsleiters – eine weitere Option – würde an dieser schädlichen Dynamik nichts ändern.

Nachhaltig ändern würde sich an dieser Situation nur etwas, wenn der Fokus weg von Einzelmaßnahmen auf Unternehmenskultur und Organisationsentwicklung gerichtet würde. Dafür findet sich beim Kunden jedoch (noch) keine Bereitschaft.

Da eine Entwicklung also weder im Team noch in der Organisation kurzfristig möglich erscheint, ist das Coaching der Führungskraft, das aus unserer Sicht auch immer begleitend zu einer Teamentwicklung stattfinden sollte, nun die Ultima Ratio. Neben einem veränderten Führungsverhalten durch die Entdeckung weiterer Handlungsoptionen, sollte in dieser Situation der Stärkung von Selbstwirksamkeit und Resilienz ein besonderer Stellenwert beigemessen werden.

Natürlich handelt es sich hier, bezogen auf unsere Einstiegsgeschichte, nur um eine Symptombehandlung mit begrenzter Wirkung. Doch bei akuten Schmerzen ist die schnell wirksame örtliche Behandlung einer langfristigen ganzheitlichen Therapie vorzuziehen.