In meinem Beitrag vom 05.11.2013 hatte ich Seminare mit Kinoveranstaltungen verglichen, die uns unterhalten, aber letztlich nichts verändern. Nach der Veröffentlichung ist uns aber klar geworden, dass das so nicht stimmt. Natürlich verändern auch Filme etwas. Sie können unsere Sicht auf die Dinge beeinflussen und in manchen Fällen prägen sie sogar eine ganze Generation. Doch damit das geschieht, kommt es auf das subjektive Empfinden des einzelnen Kinobesuchers an, auf seine (Vor-)Erfahrungen und Vorlieben.
Wie wollen Dozenten in Seminaren oder Trainings Veränderungsprozesse bei Teilnehmern anstoßen, wenn sie nichts über deren Erfahrungen, Kenntnisse und Beweggründe wissen? Nachhaltiger Erfolg bleibt damit dem Zufall überlassen.
Nach unserer Überzeugung müssen Veränderung und Praxistransfer deshalb bereits vor der Maßnahme beginnen und nach dieser konsequent fortgeführt werden. Der Begriff Training trifft das ziemlich gut, denn im Sport käme niemand auf die Idee, dass es sich bei einem Training um eine Einzelmaßnahme handeln könnte. Im Sport setzt Training auch nicht immer die Anwesenheit eines Trainers voraus, sondern Sportler üben nach dessen Anleitung auch alleine. Davon ist bei den sogenannten Trainings im Rahmen der Personalentwicklung jedoch nicht viel zu bemerken. In der Regel handelt es sich um Einzelmaßnahmen, manchmal auch um eine Trainings-Reihe, doch sobald der Trainer nicht mehr im Haus ist, findet auch kein Üben mehr statt.
Vorher ist nachher
In Abwandlung einer alten Fußballer-Weisheit sollte es heißen: Vor dem Training ist nach dem Training. Die Vorbereitung der Teilnehmer auf die Entwicklungsmaßnahme, ob es sich um ein Training, ein Seminar oder einen Workshop handelt, hat aus unserer Sicht elementaren Einfluss darauf, welche Wirkung im Anschluss beim einzelnen Teilnehmer und in der Organisation erreicht wird.
Dafür reicht es nicht aus, zu Veranstaltungsbeginn eine Erwartungs- oder Zielabfrage durchzuführen. Was soll ein Trainer jetzt noch machen, wenn die Ziele nicht den Anforderungen des Seminars entsprechen? Sehr hilfreich ist es auch, wenn die Teilnehmer keine Ziele haben.
Die Abfrage von Zielen und Anforderungen muss dort geschehen, wo diese im Anschluss auch umgesetzt werden sollen – im Unternehmen. Zusammen mit der Führungskraft und, bei einer Teammaßnahme, auch mit den Kollegen. Das ist alles ein alter Hut in der Personalentwicklung, sagen Sie? Stimmt, aber leider liegt eben dieser alte Hut mit manch anderen als gut erachteten Managementgrundsätzen vergessen in einer Ecke und verstaubt.
Die für einen wirksamen Praxistransfer notwendige Auf- und Nachbereitung eines Seminars hängt wesentlich vom Charakter der Maßnahme und der Organisation ab. Aus unserer Sicht sollte es für jede Führungskraft obligatorisch sein, sich von ihren Mitarbeitern zeitnah ein Feedback über die besuchte Veranstaltung einzuholen. Erst recht, wenn diese teuer bei externen Anbietern eingekauft wurde. Nur so lassen sich Sinnhaftigkeit zukünftiger Maßnahmen abschätzen und deren Organisation optimieren.
Bei Veranstaltungen jedoch, die auf eine Veränderung von Verhalten, Prozessen und Kultur abzielen, reicht ein solches Feedback bei weitem nicht aus. Seminare zu Projekt- und Prozessmanagement sowie Kommunikations-, Methoden- und Managementseminare erfordern, um anhaltende Wirkung zu erzielen, einen dezidierten organisationsspezifischen Maßnahmenplan. Bei dem folgenden von uns praktizierten Vorgehen berücksichtigen wir Aspekte des Change Managements und des Action Learnings:
8 Schritte zum Praxistransfer
Vor der Veranstaltung:
1. Beschreibung der gewünschten Veränderung, die durch diese Maßnahme bei der Person/Organisation erreicht werden soll. Durch den Auftraggeber (z.B. HR, PE) mit dem Anbieter.
2. Abfrage der Ziele, Anforderungen und Vorkenntnisse bei den Teilnehmern mittels Fragebogen. Durch die Teilnehmer in Abstimmung mit der jeweiligen Führungskraft. Planung der Integration des Erfahrungswissens der Teilnehmer.
3. Entwicklung oder Anpassung der Inhalte durch den Anbieter. Versand der Unterlagen an die Teilnehmer zur Vorbereitung.
Während der Veranstaltung
4. Abstimmung des Vorgehens um optimale Integration des Erfahrungswissens der Teilnehmer sicherzustellen. Teilnehmer übernehmen aktive Rolle.
5. Zum Abschluss: Vorbereitung einer Präsentation für den Praxistransfer mit den Seminarergebnissen und –erkenntnissen sowie daraus abgeleiteten Handlungsoptionen.
Nach der Veranstaltung
6. Durchführung der Präsentation vor Kollegen und Führungskraft. Klärung des Handlungsbedarfs, der Handlungsoptionen und Handlungsbereitschaft. Maßnahmenplanung und Rollenverteilung.
7. Bewusstes Schaffen von Trainingsplätzen zum Handlungsüben. Üben des neuen Verhaltens und schrittweise Umsetzung der Veränderungen. Regelmäßige und systematische Reflexion der Veränderung als fester Bestandteil von Meetings oder in einem eigenen Rahmen.
8. Abschließende strukturierte Rückmeldung der Erfahrungen an den Auftraggeber durch die Führungskraft.
„Es geht immer um Handeln und Verändern und gleichzeitig um Lernen auf den Ebenen Individuum, Set, Organisation und weiteres Umfeld“ HAUSER, Bernhard: Action Learning, managerSeminare Verlag, 2012, S. 89
Als interner Personalentwickler weiß man Trainer zu schätzen, die wissen, was sie sagen und tun. Christian Eichhorn ist so einer, denn natürlich findet intelligenter Transfer ex ante und nicht ex post statt. Leider hat sich in der Praxis eine einseitige Semantik etabliert: „Transferiert“ wird hinterher. Mindestens genauso wichtig ist es aber, den Transfer theoretisch zu antizipieren, zu planen und Voraussetzungen für betriebliche Lernprozesse zu schaffen. Darauf weist Christian Eichhorn prägnant hin.